Heilig & Finster

Hildegard von Bingen wäre in diesem Jahr 925 Jahre alt geworden – und sie hätte bestimmt auch heute noch viel zu sagen. Hildegard war Künstlerin, Wissenschaftlerin, Mystikerin, Ärztin und Dichterin – eine Universalgelehrte ihrer Zeit und von der katholischen Kirche gar als Heilige verehrt!!!! Sie hat sich politisch und sozial engagiert und gilt als Visionärin und Vorkämpferin der Frauenemanzipation – natürlich alles im Rahmen ihrer damals sehr beschränkten Möglichkeiten.

„Die Nonne hat vorgelebt, wie man die Welt neu sehen kann“ heißt es im Begleitbuch zur Ausstellung „Heilig & Finster“, die jetzt im www.frauenmuseum.de in Bonn zu sehen ist.

Die Künstlerinnen Marianne Pitzen und Bertamaria Reetz ordnen sich mit unterschiedlichen künstlerischen Herangehensweisen in die Welt von Hildegard von Bingen ein – weniger, um deren Biographie darzustellen, sondern, um Hildegards Visionen und Ideen neu zu interpretieren.

Marianne Pitzen, die das Frauenmuseum 1981 gegründet hat und nicht zuletzt bekannt ist durch ihre „Matronen“, lässt diese zu Spiegelbildern von Hildegard werden: die einzelnen Figuren und Gruppen zeigen die Vielfältigkeit ihrer historischen Person und ihres gesellschaftlichen Engagements.

Pitzens Figuren – aufanische Matronen – speichern ihr Wissen übrigens in ihren überdimensionierten Hauben, die irgendwie an die bizarre Haarkunst Pitzens erinnern – zu Schnecken gedrehtes Seitenhaar sind das Markenzeichen der Museumsdirektorin!! Ihre Matronen-Figuren bestehen aus Tageszeitungen, „enthalten also alle Schrecken und Freuden dieser Zeit – gelesen und zerfetzt“, so auf einem Plakat im Museum zu lesen. Klasse!!!!!

Bertamaria Reetz dagegen drückt mit ihren übergroßen Schwarz-Weiß-Portraits die vielfältigen Gefühle aus, sozusagen das Innenleben von Bingens: Würde, Verletzbarkeit, Angst, Zweifel, Zuversicht, Freude – und auch Autorität.

Und: Reetz widmet sich der Natur, ihre Werke beschäftigen sich mit Umweltthemen und Nachhaltigkeit: „Die Zukunft ist dann zu Ende, wenn die Abschaffung der Menschheit durch sich selbst geschieht“ sagt Reetz und zeigt einmal mehr: Kunst ist politisch. Die Künstlerin schließt damit den modernen Bogen zu dem, was Hildegard von Bingen vor allem prägte: eine große, respektvolle Naturverbundenheit.

Beide Künstlerinnen haben mich mit ihren Arbeiten sehr beeindruckt, die moderne Verbindung zu Hildegard von Bingen finde ich gelungen und: das Frauenmuseum Bonn ist für mich ein Geheimtipp!!! Charmant und ungestylt – eher ein Atelier als ein Museum und „work in progress“, so als hätten die Künstlerinnen ihre Werke dort mal kurz abgestellt und seien einen Kaffee trinken gegangen. Die Atmosphäre in den Ausstellungsräumen ist „konzentriert“, macht neugierig, regt zum Nachdenken und Einfühlen an und beim Gang durch die Etagen hatte ich fast das Gefühl, ich gehöre dazu – denn das hat alles auch mit mir zu tun…..

Noch bis zum 1. November 2023 zu sehen im www.frauenmuseum.de Bonn.

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